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Geschichte

Stadtgeschichte

Die Geschichte Schlüchterns hängt unmittelbar mit der des Benediktinerklosters zusammen. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Benediktinermönche um 741 ihr Kloster in einer menschenleeren Gegend errichteten. Daher geht man davon aus das zu Zeiten der Klostergründung in der Mitte des 8. Jahrhunderts eine Siedlung bestand.


Fachleute halten es für unwahrscheinlich, dass die Benediktinermönche 741 ihr Kloster Schlüchtern in einer menschenleeren, unbesiedelten Gegend errichteten. Man muss also davon ausgehen, dass schon zu Zeiten der Klostergründung in der Mitte des 8. Jahrhunderts eine Siedlung Schlüchtern existierte. Die Bewohner hatten, wie später noch deutlich erkennbar, ihre Häuser unmittelbar vor dem Kloster gebaut (heute Bereich Heideküppel, Sackgasse, Wassergasse und Unter den Linden). Sie waren Bauern und Handwerker, die als Hörige mehr oder weniger für das Kloster tätig waren. Durch den im 9. Jahrhundert stark aufblühenden Frankfurter Handel bekam die älteste der beiden großen hessischen Durchgangsstraßen, die von Mainz über Frankfurt, Hanau, Schlüchtern, Fulda und Erfurt bis Leipzig führte, verstärkte Bedeutung. Die andere Straße führte über die Wetterau und Mittelhessen nach Osten.

Schlüchtern erlangte Bedeutung, lag sie doch an der damals wichtigen Kreuzung der über Sinntal nach Würzburg gehenden Hauptstraße und der Frankfurt-Leipziger Straße, die nach Schlüchtern die Naturbarriere Distelrasen zu überwinden hatte. Reisende und Fuhrleute hatten gerade in jener Zeit allerlei Bedürfnisse. Zwar gibt es bislang keine Dokumente, die frühe Hinweise auf diese Siedlung geben könnten, es sei denn, man unterstellt, dass die teilweise vorhandene, aber als unecht geltende Schenkungsurkunde Karls des Großen vom 9. Oktober 788, die von einer Klosterzelle in Schlüchtern spricht, doch echt ist. Immerhin hätte es zu diesem Zeitpunkt schon den Namen Schlüchtern gegeben. Aber die Ersterwähnung des Ortes am 12. Dezember 993 unter dem Namen "Sluohderin" in einer kaiserlichen Urkunde beweist jedenfalls, dass es die Siedlung gab und sie inzwischen auch schon eine gewisse über örtliche Bedeutung erlangt hatte.

Die Erwähnung des Edelmannes Rabenold von Schlüchtern, eines Ministerialen des Klosters, im Jahre 1151 liefert den ersten Anhaltspunkt für die Entstehung des weltlichen Ortes Schlüchtern. Das bedeutet, dass der weltliche Ort Schlüchtern jetzt allmählich aus dem Schatten des Klosters heraustrat. Dies hing wiederum mit dem Ausbau der alten Kinzigstraße im Mittelalter zusammen. Nachdem diese unter besonderen kaiserlichen Schutz gestellt worden war, wurde sie im Mittelalter zu einer der bedeutensten Ost-West-Handelsstraßen Deutschlands.

1331 ist dann von einem Dorf Schlüchtern die Rede. Die Tatsache, dass gleichzeitig von Wirtshäusern und Märkten gesprochen wird - 1384 werden Fleischschrammen (Fleischer) erwähnt - spricht dafür, dass auch Schlüchtern zu dieser Zeit schon auf dem Weg zu Stadtrechten war. Vier der sieben Mühlen, die Schlüchtern später hatte, waren schon außerhalb des Klosters vorhanden: die Hof- und Bannmühle am Untertor (1285), die Mühle am Pfarrkirchhof (1303), die Walkmühle vor dem Krämertor - später Hutzelmühle (1353) - und die Richtscheidermühle - später Sägewerk Walther und Kress (1331).

Untrügliches Zeichen, dass der Ort auf dem Weg zu Stadtrechten war, ist die Erwähnung der Wehranlagen, z. B. des Krämertores 1353 und 1399. Solche Anlagen bedurften der Genehmigung des Landesherren, sie waren Bestandteil eines Stadtrechtes. Es gab auch schon öffentliche Einrichtungen wie das 1391 erwähnte Aussätzigenhaus, die 1274 erwähnte Pilgerherberge (Gästehaus) vor dem Kloster und das 1274 und 1358 genannte Spital vor der Katharinenkapelle (zwischen Eckebäcker und Lorenzkapelle). 1448 und 1496 werden Bürgermeister, 1489 Zünfte erwähnt Auch eine öffentliche Ballstube ist vorhanden. 1496 billigte Graf Reinhard IV. von Hanau dem Klosterabt die Erhebung des "Kleinen Zolls" in Schlüchtern zu von allem, was in "Sluchter" verkauft wurde, was auf Karren in "Sluchter" feilgehalten und was von Wolle verkauft und gewogen wurde. Die Schlüchterner und Steinauer blieben zollfrei. Jetzt wird in Schriftstücken häufig vom Flecken Schlüchtern gesprochen.

1362 wird Sanne, die Witwe des Edlen Hermann von Schlüchtern mit einem klösterlichen Vogthof von Konrad von Trimberg belohnt. Er besitzt ein steinernes Haus auf dem Sande, das als Vorläufer des Schlösschens gilt und im Bereich des Hinhalberdorfes liegt (später Helfendorf genannt). Dieses um 1560 verschwundene Dorf, das jenseits des Röderwassers vermutet wurde, wird nicht als Siedlung, sondern als einen Teil des früheren Dorfes Schlüchtern bezeichnet. Demnach hätte sich der um das Kloster liegende Ortskern schon im Mittelalter in Richtung Westen (heute Bahnlinie) ausgedehnt. Sprachforscher halten es auch für möglich, dass Helfendorf und damit Schlüchtern aus einer Zwangsumsiedlung von Sachsen durch Karl den Großen (748-814) hervorgegangen sein könnte.

Die 1243 mitten durch Schlüchtern gezogene Gebietsgrenze zwischen dem Trimbergischen und dem Hanauischen Gericht, die der Elmbach bildete, mag aus dem gleichen Grunde so entstanden sein. Nach dem Protokoll des Amtes Steinau von 1549 ermittelte damals der Steinauer Amtmann Craft Emmel für die trimbergische Seite 85 Steuernde und 68 Häuser, für die hanauische Seite 123 Steuernde und 80 Häuser (insgesamt 208 Steuernde und 148 Häuser). Unter anderen wurden ein Bürgermeister und ein Schultheiß genannt.

Es wird aber immer noch von der "Gemein und dem Flecken" Schlüchtern, nicht der Stadt Schlüchtern gesprochen. Trotzdem war Schlüchtern kein Dorf mehr im üblichen Sinne, es hatte auch bereits ein Rathaus. Das Steuerregister der f Hanauer Regierung von 1538 weist 153 Steuernde aus. Im Klosterzinsbuch von 1565 sind 212 Steuernde namentlich genannt und 153 Häuser vermerkt.

Graf Philipp III. von Hanau erlaubte am 29. März 1555, dass in Schlüchtern jeden Dienstag oder Mittwoch regelmäßig ein Wochenmarkt abgehalten werden durfte. In dem 1557 begonnen neuen Gerichtsbuch und dem darin festgehaltenen Bürgermeistereid fällt erstmals der Name Stadt, und es wird von den Ratsherren "Irer gnaden Stadt Schlüchter" gesprochen. Damit steht fest, dass dem Vertrag von 1555 auch die Verleihung von Stadtrechten durch Graf Philipp von Hanau folgte. Leider fehlt die Stadtrechtsurkunde. Von 1567 bis 1572 erfolgte der Bau eines neuen Rathauses.

Zwei bedeutende Ereignisse im 16. Jahrhundert haben die weitere Entwicklung der Stadt Schlüchtern wesentlich beeinflusst; zum einen die von Abt Petrus Lotichius in 1543 eingeleitete Reformation des Bergwinkels und zum anderen die Erhebung zur Stadt um 1556/57.

Bis zum 30jährigen Krieg wurde die Stadtentwicklung zunächst noch sehr durch die vier evangelischen Äbte Lotichius (1534 - 1567), Hettenus (1567 - 1585), Schönbub (1585 - 1592) und Wankel (1592 - 1609) beeinflusst und gestaltet. Doch schon bald nach dem Einzug der Stadtoberen, des Bürgermeisters und der Räte in das 1573 fertiggestellte neue Rathaus gewann die eigenständige Verwaltung mehr und mehr Gewicht.

Die Unregelmäßigkeit des Grundrisses der alten Innenstadt spricht nicht für eine planmäßige Ortsgründung. Die ältesten Teile lagen um das Kloster und entlang der beiden Heerstraßen nach Würzburg und Fulda. Zu nächst wurde nur bis zum Krämertor und dem Obertor gebaut.

In der Stadt gab es zunächst nur die beiden Querverbindungen Schmiedsgasse und Linsengasse, 1565 Kreuzgasse genannt, ferner die beiden Sackgassen, eine davon hieß später Spitalgasse, sie war vermutlich nicht mit der heutigen Sackgasse verbunden. 1549 werden noch eine Fischergasse und der Zwinger erwähnt. Beide sind in der Gegend hinter dem Pfarrhaus zu suchen. Zwinger nannte man damals auch anderen Ortes das Gelände zwischen Stadtmauer und dem ersten Häuserring. Die Fischergasse lag an der Stadtbefestigung zur Mauerwiese. Es muss demnach, ebenso wie in Steinau, in Schlüchtern eine kleine Fischerzunft gegeben haben, die neben der Kinzig vor allem die Weiher der Stadtbefestigung abfischte. Die Krämergasse war sehr breit, da sie zu beiden Seiten des bis 1882 durch Schlüchtern fließenden Elmbaches verlief.

An Flurbezeichnungen wurden folgende Namen genannt: Mauerwiese, Strasswiese, Au, Weitzbach, Röderwasser, Hermesbach, Zum Rode (Röthe), Ziegenberg, Mordgraben, Creutzgarten, Im Pfull, Zoegelwiesen, Langen Streich, Hohenspitzen, Dechenfeld, Bornwiesen, Am Brunek, Am Galgenberg, Am Eichholz, Am Elm, Im Bibell, Feierabendgrund, Hohenrain, Bärwiese, Riedwasser, An der Strut, Maidjesbach.

1549 zählte man in Schlüchtern noch 44 Weinberge: 18 davon am Eichholz, am Bibell 13, je einen an der Lindenwiese, im Dechenfeld, je zwei am Brunek, im Kalkofen, Molvers und Aschenfeld und drei am anderen, nicht bezeichneten Orten. 1649 ging der Weinbau in Schlüchtern ein, stattdessen wandte man sich nun dem etwas lukrativeren Tabakanbau zu. Um 1680 gab es Tabakkutschen am Riedwasser und den Edenkutschen.

Die städtische Bleiche befand sich an der Linne am Röderwasser. Auf einer benachbarten Wiese stand ein Wachhäuschen weil die Wäsche auch über Nacht zum Bleichen liegen blieb. 1597 wurde"Schwanz wüllen Schlüchterisch Duch" bereits als bekannter Ausfuhrartikel erwähnt. Schon 1567 wurde das Oberfarbhaus in der Krämerstraße genannt, das 1602 Brauhaus wurde. Neben der Gastwirtschaft Schwan gab es das Unterfarbhaus.

1573 gab es eine deutsche Schule in Schlüchtern. 1570 und 1580 wurde die Stadtschenke erwähnt, und 1590 gab es einen verordneten Stadtschreiber.

Bei einer großen Pestepidemie in 1574/75 starben 442 Menschen

Im 30jährigen Krieg wurde die Stadt fast völlig zerstört. Der Wiederaufbau vollzog sich wieder überwiegend innerhalb der alten Stadtbefestigung, allerdings mit Erweiterungen nach Westen in Richtung Lotichiusstraße und südlich der heutigen Grabenstraße und Bahnhofstraße. Die Einwohnerzahl war etwa auf die Hälfte gesunken. Die Befestigungen waren erhalten geblieben.

Befestigungs- und Lageplan um 1680

Um 1680 gab es 551 Seelen, 127 "Bäue", zwei vor dem Krämertor, und wenige Scheunen und Hofraithen - alle in schlechten Zustand. Die Häuser waren mit Schindeln und Stroh gedeckt und mit Lehm ausgemauert. Die ärmlichsten Häuser standen damals im "Sack". Das Dach war niedrig, mit der Hand zu greifen der kleine Wohnraum für die Menschen war ungedielt. Für die Ziegen gab es ein Ställchen, unter dem Dach war ein winziger Speicher für Heu und Grummet.

Nach einer großen Hochwasserflut zwischen dem 15. und 18. Januar 1682 wurde mit der Straßenpflasterung begonnen. 1737 wurde ein neues Spital in der Spitalgasse errichtet, 1798 wurde das lutherische Schulhaus in der Schmiedsgasse erbaut. Man unterschied jetzt vier Quartiere: Oberviertel, Unterviertel, Crämerviertel und Klosterviertel.

Als Gasthäuser wurden der "Rote Löwe", der "Goldene Engel", der "Schwan", der "Obere Stern" oder "Goldene Stern" und der "Untere Stern" oder "Weiße Stern" sowie die städtische "Schenk" erwähnt. 1744 wurde mit dem Ausbau der Landesstraße nach Fulda begonnen. Er dauerte 30 Jahre und war Voraussetzung für einen geregelten Personen- und Postverkehr.

Allmählich begann sich die Stadt aus der Bevormundung des Klosters zu lösen. 1707 lebten in Schlüchtern 210 Familien, davon 13 jüdische. 1754 gab es 298 Familien mit 1322 Einwohnern, davon 90Juden. Man zählte 247 Wohnhäuser und Gemeindehäuser, davon elf Judenhäuser, vier herrschaftliche und adelige Häuser und sieben Mühlen sowie eine evangelische Kirche. Die Bevölkerung lebte überwiegend von Landwirtschaft und Handwerk. 1760 gab es hier 311 Censiten (Laßbauern). 1767 wurde der Kartoffelanbau lobend erwähnt, weil die Kartoffeln, zu Brot gebacken, die Menschen oft vor dem Verhungern bewahrten. 1778 wurde die erste Apotheke in der Krämergasse gegründet. Es entstanden Zigarrenfabriken, und 1779 gründete sich eine Hafnerzunft.

Bei einem Wolkenbruch am 19. Juli 1769 wurde das Krämertor vom Hochwasser weggerissen, nach erneuter Zerstörung durch Hochwasser in 1782 wurde es nicht mehr aufgebaut. Ebenso wurden Obertor und Untertor bei dem Unwetter in 1769 stark beschädigt. Beide Tore wurden wieder instand gesetzt, das Untertor 1827 abgebrochen. Die Torwacht oblag den Bürgern, die von einem Wachtmeister eingeteilt und beaufsichtigt wurden. Anfang des 19. Jahrhunderts existierten noch sämtliche Weiher um die Stadt Schlüchtern herum.

Gute Geschäfte machten die Fuhrleute mit ihrem Vorspanndienst über den Distelrasen und natürlich auch die Gastwirte und Herbergen.

Die Kriege Ende des 18. Jahrhunderts und Anfang des 19. Jahrhunderts hatten die Stadtentwicklung sehr gehemmt. Erst nach dem Ende der Befreiungskriege und der ab 1821 verordneten Gebietsneuordnung kam sie wieder in Gang.

Nach der Erhebung Schlüchterns zur Kreisstadt im Jahre 1821 setzte eine vermehrte Bautätigkeit und verstärkte Stadtentwicklung über das Obertor in Richtung Fuldaer Straße ein.

Um 1834 begann der Ausbau der alten Heerstraße. Gefälle und starke Steigungen wurden beseitigt, Brücken gebaut. Das Untertor wurde aus diesem Grunde schon 1827 abgebrochen, weil es ein Verkehrshindernis für die großen Frachtwagen war. Das Obertor folgte einige Jahre später. Die Wälle der Stadtbefestigung wurden abgetragen und die Weiher mit dem Abraum verfüllt (Hospitalweiher und Mauerwiesenweiher 1833). Das Lehrerseminar wurde 1825 im Kloster errichtet, dem Umbau des Rathauses 1828 folgten weitere öffentliche Bauten, zum Beispiel das Landratsamt Ecke Fuldaer Straße / Dreibrüderstraße (später Raiffeisen). Zuvor war 1819 das Köhlersche Postamt (heute Kreissparkasse) erstellt worden. Viele alte Häuser wurden restauriert und neue Häuser entstanden. Deutlich erkennbar ist diese Entwicklung auf einem Stadtplan des Jahres 1850. Die Fuldaer Straße ist rechtseitig bereits bis zur Ludovica-von-Stumm-Straße bebaut, die 1825 gegründete Seifensiederei Viktor Wolf eingezeichnet. Die Bebauung über das Krämertor hinaus reicht längst bis zur Kreuzung Elmer Landstraße/Ahlersbacher Straße. Die Jostsche Mühle, das Binnerland sind ebenso wie Linsengasse und Schlossgasse sowie der Sandgarten bebaut. 1858 wird die Stadtsparkasse gegründet, 1868 die Turnhalle eingeweiht, 1875 erhält Schlüchtern ein Standesamt.

Der Bau der Bebra-Bahn und des Bahnhofes in 1868 brachten weitere bauliche Stadterweiterungen im Bereich der Alten und Neuen Bahnhofstraße. Letztere wurde Anfang der 70er Jahre erbaut, damit die schweren Fuhrwerke nicht mehr die starke Steigung der Alten Bahnhofstraße überwinden mussten. 1893 erfolgte der Bau der Wasserleitung, 1901 erhielt Schlüchtern das erste Telefon.

Das 19. Jahrhundert war das Jahrhundert der Auswanderung nach Amerika und der Abwanderung ins Ruhrgebiet. Trotzdem stieg die Zahl der Einwohner der Stadt. Bis zum Ersten Weltkrieg entstanden viele Großbauten, zum Beispiel 1898 die Synagoge, 1904 die katholische Kirche, 1906 das Elektrizitätswerk, 1910 das Kreishaus, 1913 das Kreiskrankenhaus und 1914 der Distelrasentunnel. Es entstanden auch die zahlreichen Jugendstilbauten.

Der Erste Weltkrieg mit anschließender Inflation bremste etwas die Stadtentwicklung.

Mitte der 20er Jahre entstanden der Sportplatz auf der Auwiese, 1929 der Bau der Stadtschule und 1929/30 das Schwimmbad in der Breitenbacher Straße.

Erhebliche Stadterweiterungen gab es 1935 im Bereich Hohenzeller-/Hanauer Straße. Dort wurden 1936 unter anderem zehn neue Siedlungshäuser, die sogenannte Hitlersiedlung, eingeweiht, ebenso in der Alten Bahnhofstraße. Großbauten waren damals auch die 1935 erstellte Kreislandwirtschaftsschule, das Arbeitsdienstlager Nr. 8/225 (1934) in der Dreibrüderstraße, das 1935 in der Lotichiusstraße erbaute sogenannte Parteihaus und die 1939 begonnene Jugendherberge am Hohenzeller Berg (1969 verkauft).

1935 wurden sieben Straßen nach Hitler, Göring, Sprenger, Horst Wessel und anderen NS-Größen umbenannt, was 1945 wieder geändert wurde. Die Straßen Unter den Linden, Obertorstraße und Krämerstraße erhielten 1937 ihre jetzigen Namen. 1938 begann der Ausbau der Obertorstraße und der Straße Unter den Linden. Die Kurve am Rathaus wurde verbreitert, das Zipfsche Haus abgebrochen die Obertorstraße kanalisiert und die Linden in der Untergasse gefällt. Rathaus und Schenk wurden außen renoviert.

Während des Zweiten Weltkrieges kam es zu keinen nennenswerten baulichen Veränderungen in der Stadt. Leider brachte die Verlegung des Finanzamtes nach Gelnhausen 1943 einen Rückschlag für Stadt und Kreis Schlüchtern. Durch die Aufnahme vieler Heimatvertriebener nach Kriegsende war die Einwohnerzahl von 3.444 im Jahr 1933 und 3.728 in 1939, auf 5.832 in 1950 angestiegen. Begünstigt durch den 1949/50 von Land und Kreis initiierten so genannten Schlüchternplan, kam es nun zu neuen Erweiterungen des Stadtgebietes unterhalb des Bahnhofswäldchens, Am Eichholz/Niederzeller Weg in 1964, Galgenberg/ Struthrain, 1958/59 zwischen Breitenbacher Straße und Fuldaer Straße, südlich der Kinzig zwischen Hohenzeller Straße und Ahlersbacher Straße. Es entstanden 1948 die Heinleinsiedlung, die Aussiedlerhöfe, 1950 die Bornwiesensiedlung, 1954 die erste VDK-Siedlung Hessens in Schlüchtern. 1949 erfolgte der Kinzigdurchstich in der Auwiese, 1957 begann der Bau des ersten Abschnittes der Berufsschule und 1961 der des neuen Postamtes.

Um ein Mehrfaches vergrößerte sich das Siedlungsgebiet der Stadt in jüngster Zeit als Folge der von 1969 - 1974 in Hessen durchgeführten Gebietsreform. Die zwölf bisher selbständigen Gemeinden Ahlersbach, Breitenbach, Elm, Gundhelm, Herolz, Hutten, Hohenzell, Klosterhöfe, Kressenbach, Niederzell, Vollmerz und Wallroth wurden mit der Stadt Schlüchtern vereinigt. Die Einwohnerzahl vergrößerte sich durch die Eingemeindungen von 6.090 in 1968 auf 13.539 in 1974. Die Gemarkung erweiterte sich von 1.441 bis auf 11.332 Hektar. Schlüchtern wurde zu einer der größten Flächenstädte Hessens. Im Landesentwicklungsplan des Landes Hessen wurde die Stadt als Mittelzentrum - gewerblicher und Siedlungsschwerpunkt - des oberen Kinzigtals ausgewiesen. Dies löste wiederum zahlreiche Initiativen zur Verbesserung der Infrastruktur aus. Allein die von 1970 - 1992 durchgeführte Altstadtsanierung brachte der heimischen Wirtschaft lukrative Aufträge. Zwischen 1975 und 1979 erfolgte der Bau der Ortsumgehung, der Ausbau des Kanalnetzes und der Ausbau der Wasserversorgung.

1978 wurde als Modellprojekt des Bundeswohungsbauministeriums nahe der evangelischen Kirche das Wohnprojekt "Kirchstraße/Mauerwiese" mit 31 Wohnungen erbaut. Es wurde von der 1946 in Schlüchtern gegründeten Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaft im Rahmen der Altstadtsanierung erstellt. Diese Genossenschaft hat wiederum 1992 in der Kurfürstenstraße 24 Sozialwohnungen errichtet.

Durch zukunftsorientierte Kommunalpolitik hat sich Schlüchtern in den letzten Jahren zu einem Einkaufs- und Dienstleistungszentrum für die ganze Region entwickelt. Neben einem Kaufhaus und Handelsketten stehen den Bürgern zahlreiche Einzelhandelsgeschäfte zur Verfügung. Ein bedeutender Wirtschaftsfaktor sind ferner die drei Banken. Die ärztliche Versorgung ist heute durch das 1967 erbaute Kreiskrankenhaus, Arztpraxen, Zahnarztpraxen, Tierarztpraxen und Apotheken gesichert.

Für die Freizeitgestaltung stehen den Bürgern in der Gesamtstadt eine moderne Stadthalle (1988), die Weitzelbücherei, sieben Gemeinschaftshäuser, ein Hallenbad (1974), zwei beheizte Freibäder, 27 Sportstätten aller Art sowie 200 Kilometer markierte Wanderwege mit Grill- und Freizeitanlagen zur Verfügung.

Schlüchtern ist seit 1966 staatlich anerkannter Luftkurort. Das Stadtgebiet hat eine Waldfläche von 3.218 Hektar, davon sind 70 Prozent Laubwald, in einer Höhenlage von 205 - 540 Metern.

Den konfessionell gebundenen Bürgern stehen in der Gesamtstadt elf evangelische, zwei katholische, eine neuapostolische sowie eine freie evangelische Kirche offen. Ebenso hat Schlüchtern seinen alten Ruf als Schulstadt behalten. Neben Grundschule, Stadtschule (Hauptschule und Realschule), Bergwinkelschule für Lernbehinderte, Heinrich-von-Herrmann-Schule (praktisch Bildbare), dem Ulrich-von-Hutten-Gymnasium, der Kirchenmusikalischen Fortbildungsstätte und den Kinzig-Schule (Beruflichen Schulen) in der Innenstadt gibt es noch vier Grundschulen in Elm, Herolz, Vollmerz und Wallroth. Die zentrale Funktion der alten Kreisstadt blieb nach der Gebietsreform weitgehend erhalten. Gute Infrastruktur und eine weitgehend noch intakte Natur haben in den letzten Jahren viele Menschen aus den Ballungsgebieten bewogen, ihren Wohnsitz nach Schlüchtern zu verlegen.

Während die Innenstadt noch bis nach dem Zweiten Weltkrieg ein stark landwirtschaftlich geprägtes Bild zeigte, bietet sie heute das einer stark gewerblich orientierten, aufstrebenden Kleinstadt im oberen Kinzigtal. Ältester Handwerksbetrieb dürfte heute die seit 1895 bestehende Firma Möbel-Rudolf sein.


Hinweis

Ausdrücklich möchten wir an dieser Stelle auf das Buch von Herrn Hans Möller, erschienen zum tausendjährigen Stadtjubiläums Schlüchterns, "Geschichte und Geschichten aus Schlüchtern" - CoCon-Verlag Hanau hinweisen, das für jeden Interessierten eine Übersicht zur Geschichte Schlüchterns und seiner Bürger bietet.


Schlüchtern zur Zeit des Nationalsozialismus

Ein Stadtrundgang auf den Spuren jüdischer Bürgerinnen und Bürger.

Schlüchtern zur Zeit des Nationalsozialismus - 14.01 MB

Ein Stadtrundgang auf den Spuren jüdischer Bürgerinnen und Bürger

Schlüchtern during the Holocaust - 23.76 MB

A city tour in the footsteps of Jewish citizens